26.2.07

Katzenjammer

Es war Abends und schon wieder musste ich mich heftig wundern. Nicht nur darüber, dass mein Fahrrad noch immer nicht geklaut worden war, sondern weil ich auf dem Weg zur Waschmaschine plötzlich aufgehalten wurde. Die Waschmaschine wurde nämlich vom schlauen Vermieter in der Wohnung über mir eingebaut. Und in eben dieser Wohnung gab es auf einmal einen Boxerhund. Angehörige dieser von mir favorisierten Hunderasse sind hochintelligent, können sogar Türen öffnen, an jedem hochspringen und stinken wie die freiwillige Feuerwehr. Ich wunderte mich also eine ganze Weile, denn die Anwesenheit dieses Hundes, der so aussah, als hätte ihn ein Kleinkind gezeichnet und ausgerechnet bei der Schnauze keine Lust mehr gehabt, ließ sich meiner Erinnerung nach nur schwer mit dem Gemüt meines Vermieters vereinbaren. Der hatte sich ja unlängst gar lautkräftig über einen sinnlos abgestellten Vogelkäfig geäußert. Da waren aber noch nicht mal Vögel drin gewesen. Mein spanischer Nachbar hatte das dreckige Utensil neben einer Nachtbar gefunden und so schnell wie möglich in seinen Besitz gebracht- mit Kot befüllte Vogelkäfige sind hier ein rares Gut. Er hat mir später auch erklärt, dass darin bald verschiedene Arten heimischen Federviehs von selbst ihr Zuhause finden würden. Die Tür zum Käfig würde er stets offenlassen, um jederzeit genügend Ausflug zu gewähren- abends kämen dann alle Bewohner zur Sperrstunde bestimmt wieder heimgeflogen. Kritische Anmerkungen oder Fragestellungen meinerseits verbot sich mein Nachbar und verwies in diesem Zusammenhang auf seine buddhistische Philosophie, die, man verzeihe mir dieses holperige Bonmot, mit Vögeln offenbar ein gut Teil zu schaffen hat. Auf diese Weise mundtot gemacht, und weil ich ohnehin grade aufs Klo musste, verließ ich den Schauplatz dieses zoologischen Wunders, das bald stattfinden musste.
Aber nun auch wieder zurück zum Hund. Da stand ich nämlich noch immer, hatte allmählich aufgehört mich zu wundern und schaute auf das mit einem Stummelschwanz wedelnde Getier herab. „Tu viens d’où?“ fragte ich in meinem besten Hoffranzösisch. Antworten konnte mir der Hund allerdings nicht mehr, denn schon brauste der bereits bekannte Spanier aufgeregt um die Ecke, der mir wortreich schilderte, was sich nunmehr in seinem Leben zugetragen hatte: Eine gute Freundin, ihres Zeichens Händlerin von Tand, Klimbim und Räucherstäbchen, habe ihm das Tier, Toto mit Namen und weiblichen Geschlechtes, für „ein Weilchen“ ausleihen müssen, da ein weiterer Bekannter dringend eine Weltreise mache. Diesen Kausalzusammenhang verstand ich freilich nicht sofort. Des Weiteren kamen in der mir aufgetischten Geschichte ein Auffahrunfall, 5 neu geborene Welpen und eine Zimmerpflanze vor, die auf der Straße herumgelegen hatte. Mich interessierte aber primär die Frage nach dem Einverständnis des Vermieters. Darauf bekam ich eine interessante Antwort: Der Hund bleibe ja nur ein paar Tage.
Ich versuchte schnell, so auszusehen, als hätte ich alles verstanden und fing an, meine Wäsche in die Waschmaschine zu stopfen. Toto half mir dabei, indem sie an den Dingen schnüffelte, die offenbar am dringendsten einen Waschgang benötigten. Dann aß sie aus dem Papierkorb.
Toto wurde bald eine vollwertige Mitbewohnerin. Nie hatte es unter dem Esstisch so sauber ausgesehen. Keiner freute sich so sehr wie sie, wenn jemand die Wohnung betrat. Und nie zuvor hatte es derart penetrant nach Hund gerochen. Grund genug für unseren spanischen Tierfreund, Totos Aufenthalt mehrmals zu verlängern. Kleinlaute Proteste der Mitbewohner, die unter anderem auf Allergien gegen Hundehaare verwiesen, wurden freundlich mit dem Hinweis abgetan, das komme nicht von Toto, sondern „vom schlechten Karma“ in dieser Wohnung.
Dieses Karma wurde aber nicht besser als wenig später unser Vermieter zum allwöchentlichen Vorbeischauen vorbeischaute. Dieser empfahl dem stolzen Heimtierbesitzer dringlich, künftig andernorts seinen Neigungen nachzugehen. Es lag entweder an den diplomatischen Bemühungen der Mitmieter oder dem überaus schlechten Gedächtnis des alten Hysterikers, dass er diese Forderung nicht aufrechterhielt. Sehr zu meiner Freude, denn so werden die gar heiteren Geschichten nicht allzu schnell ihr Ende finden.
Das schönste aber ist: Ich wohne ein Stockwerk tiefer. Dorthin kann ich jederzeit hinabsteigen, aus dem Fenster auf eine belebte Straßenkreuzung blicken und minutenlang den Kopf schütteln.

1 Comments:

Anonymous Anonym said...

Na endlich. Da hast du dich ja würdig zurückgemeldet...

10:15 PM

 

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