4.3.07

Eins, zwei, Spaß!

Der Franzose an sich, jaja. Und erst recht der Südfranzose. Die haben sich schon einen gesunden Anarchismus bewahrt. Autoritätshörigkeit ist ihre Stärke nicht, wovon verschiedene Geschichtsbücher ein Lied singen können, ein ganz bekanntes sogar, es stammt aus Marseille. Ja, auch heute noch kommt der Franzose gern unorganisiert, laut und ordnungswidrig daher, manchmal macht er das bestimmt mit Fleiß. Wer also als Einheimischer an einer Ampel losfährt ohne zweimal zu hupen, wer sein Auto vorschriftsgemäß parkt und wer nicht mindestens einmal in der Woche Spraydosen, Fahrradreifen und alte Socken in seinem Garten verbrennt bis man in der ganzen Stadt die Hand nicht mehr vor Augen sieht, der darf sich nicht wundern, wenn ihm freundlich aber bestimmt die Staatsangehörigkeit entzogen wird. In aller Regel gegen jede Regel, könnte die Maxime lauten.
Auch der Karneval in Nizza, so scheint es mir, hat diese Erfahrung machen müssen. Einst als lustiges und ungezügeltes Stelldichein der einzelnen Stadtteile ausgedacht und durchgeführt, ein bunter und wilder Umzug des Unfugs eben, wie man ihn vielerorts schätzt und zelebriert, hat er in den vergangenen Jahrzehnten eine erstaunliche Metamorphose erlebt. Da finden mittlerweile, über zwei Wochen verteilt, in ganz regelmäßigen Abständen bestens organisierte Schaulaufen bezahlter Statisten statt, Tribünenplätze für peppige 20 Euro. Die Touristenfrachter parken auf der Promenade in einer endlos langen Schlange, damit die Insassen streng nach Plan kunterbuntes Treiben à la carte bekommen. Denn schließlich haben sie ja fürs Lustigsein bezahlt. Beeindruckende Licht- und Toneffekte runden diesen flotten Mischmasch aus Spaßkasperei und Kosteneffizienz sinnvoll ab.
Hier kommt der Einheimische ins Spiel: Wie auf Kommando kehrt er den Possen, die nicht mehr die seinen sind, den stolzen Rücken und marschiert in die Gegenrichtung. Eine Feier mit behördlicher Genehmigung ist für ihn wie Geschlechtsverkehr im Takt des Zwölfuhrläutens. Und wer wirklich glaubt, Konfetti zu werfen sei witzig, der darf sich schon mal einen Platz bei den Anonymen Pausenclowns aussuchen. Alle anderen treffen sich pünktlich irgendwann gegen Nachmittag am Hafen. Man bewegt sich locker zu entspannter Tanzmusik. Das Werfen von Mehl und Eiern gilt als allfällige Sympathiebekundung. Roséwein wird in eleganten Plastikbechern kredenzt. Wer nach 22 Uhr noch seinen Vornamen kennt, darf nicht mehr mitmachen. Das allerwichtigste aber: Die Veranstaltung darf einzig und allein durch einen größeren Polizeieinsatz beendet werden. Und mit dieser Regel nehmen es die Franzosen wiederum sehr genau.

Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle an die Europäische Union, für das großzügige Bereitstellen von jede Menge 10-Cent-Eiern zum- in diesem Fall aber wirklich- auf den Kopf hauen!