30.10.06

NISSA LA BELLA!

Zunächst, als Einstimmung auf diesen Bericht, hier der Auszug aus dem Liedtext der schönen Stadthymne "Nissa la bella" für jedermann zum ausschneiden und irgendwo aufhängen:

Viva, viva, Nissa la Bella

O la miéu bella Nissa
Regina de li flou
Li tiéu viehi taulissa
Iéu canterai toujou.
Canterai li mountagna
Lu tiéu tant ric decor
Li tiéu verdi campagna
Lou tiéu gran soulèu d'or

Toujou iéu canterai
Souta li tiéu tounella
La tiéu mar d’azur
Lou tiéu cièl pur
E toujou griderai
en la miéu ritournella
Viva, viva, Nissa la Bella

Der aufgeweckte, multilingual angehauchte Beobachter hat längst gemerkt, dass es sich um einen ganz fiesen Dialekt zwischen Französisch und Italienisch handelt; damit haben die stolzen Bewohner der Kreisfreien Kreis- und Hansestadt Bad Nizza ihre besondere geographische Lage quasi "vertont". Und wo wird dieses Lied stets laut und textsicher abgesungen? Ja genau, abends im Fussballstadion.
So auch an dem Abend, an dem sich zwei deutsche Spielbeobachter dort einfinden. Stichwort: Derby. OGC Nice hat Olymique Marseille zu Gast. Beide Vereine sind einander seit jeher in inniger Freundschaft zugetan. Vor allem die militanten Fanclubs pflegen diese Verbindung. Dem entsprechend haben sich vor dem Stadion bereits einige Hundertschaften von "Robocops" eingefunden. Das sind männliche Hostessen mit Schlagstöcken und Brustpanzer, die gern den rechten Weg weisen. Den hätten wir aber auch so gefunden: Pünktlich zum Absingen der Hymne sind wir auf den billigen Plätzen im Stade du Ray angelangt. Das Abbrennen begalischer Feuer gilt in französischen Stadien noch immer als Kavaliersdelikt- dass einem Feuerwehrmann durch eine provisorische Minibombe aus dem Marseille-Lager zwei Finger abgesprengt werden, gilt dann eben als Kollateralschaden. Aber das hat auch keiner bemerkt, denn schon ist das Spiel angepfiffen. Fanatische Einpeitscher mit Mikrofon sagen die schwierigen Liedtexte vor ("Allez, allez le gym allez, allez le gym allez, nizza allez nizza allez nizza allez..."). Da reiht man sich freilich gern ein. Und als es nach 90 Minuten 1:1 steht, möchte man schon schmunzelnd dem Stadion den Rücken kehren, sich eins pfeifen und denken "es hat nicht sollen sein..." aber NEIN! Nizza bekommt einen Elfmeter zugesprochen! Man möchte glatt nicht hinsehen....aber er ist ja drin, wie könnte es anders sein, Freudentaumel, alles hüpft, wieder die Hymne, Autokorso, Gesang bis in die Nacht heinein, im nächsten Kiosk wird Bier geholt....Tja, man könnte ja am Samstag zum Auswärtsspiel nach Monaco mitfahren?


Spass am Sport im Stade du Ray

28.10.06

Der 3. Stock

Der 3. Stock ist jedesmal für einen Spaß zu haben. Es befindet sich dort eine in jeder Hinsicht illustre Wohngemeinschaft, verschiedenste Nationalitäten, Temperamente und Interessengruppen sind vertreten. Dieses Ensemble, welches den gutmütigen Betrachter oftmals an die berühmte "auberge espagnole" aus dem Film "Zwei Furzkanonen wollen's wissen" erinnert, lädt Freitags die übrigen Hausbewohner, die mit dem gleichen Vermieter das Vergnügen haben, zum Umtrunk. Gern entspinnen sich dann philosopische, politische, sprachwissenschaftliche oder so ganz witzige Gespräche. Natürlich darf auch ein guter Tropfen nie fehlen. Und wenns ganz bunt wird, holt schon mal ein Spanier zum entscheidenden Bonmot aus: "Hab ich euch schon erzählt, dass wir hier so eine Handgranate haben?" Das hat er natürlich nicht, und jetzt will man es doch genauer wissen. Tja, der Vermieter hat da so allerhand Schränke und Gerümpel herumstehen, und wenn man konsequent alle Schubladen öffnet und den Inhalt untersucht, so fördert man doch immer wieder überraschendes zutage, so wird berichtet. Und als hätte den Ausführungen keiner so Recht Glauben schenken mögen, steht das gute, handliche Stück auch schon zum Beweis auf dem Tisch! Dass alle mit dem Stuhl ein klein wenig nach hinten rücken, würde im Ernstfall ohnehin wenig nützen. Der aufgeweckte Spanier aber demonstriert auch gern die Funktionsweise und die einzelnen Komponenten. Man hofft, dass seine Risikofreudigkeit und sein Alkoholpegel sich noch in Grenzen halten. Als der Vortrag beendet ist, und angetäuschte Wurfbewegungen die Menge das Fürchten gelehrt haben, wird das Stück wieder verräumt.

Den ganzen Spaß möchte man aber auch dem Vermieter mal mitteilen. Der setzt sich gleich ins Auto, kommt vorbeigebraust, und erzählt lachend, tja das komme halt davon, wenn man da auch so in den Schränken rumwühlen müsse. Mit viel Sachverstand und unter Zuhilfenahme einer schlauen Lesebrille auf der Nasenspitze erläutert er, wieso es sich nur um eine Trainingsgranate handle. Im Auto allerdings dürfe sie nicht transportiert werden, das sei ihm dann doch eine Spur zu unsicher, wenn dann hernach alles in die Luft fliege....und energisch wird der Dachbodenfund wieder recht gut weggepackt.

Ja, ich bin dort immer gern zu Gast.

26.10.06

Ein Jubeltag im Oktober

Leider habe ich festgestellt, dass ich mich mit der Zahl 23 gar nicht indentifizieren kann. Sie passt nicht zu mir. Werde ich nach meinem Alter gefragt, so weiche ich diesen Fragen seit neuestem geschickt aus, oder täusche gar Übelkeit vor, um schnell verschwinden zu können. Meinen Ausweis habe ich geschickt gefälscht, indem ich den Teil mit dem Geburtsdatum durchgestrichen habe. So kann mein neues Alter nicht aktenkundig werden. Der Zahl 23 gehe ich aus dem Weg, wo auch immer ich auf sie treffe. Leider fährt die gleichnamige Buslinie von mir aus zur Uni. Leute meines Alters sind mir seit neuestem suspekt. Sie ignoriere ich konsequent. Ich werde bald für ein Jahr in eine Zivilisation aufbrechen, die andere Zeitrechnungen kennt, und dort um Asyl bitten, um meinen nächsten Geburtstag abzuwarten.

P.S.: Ich danke allen, von denen ich eine Nachricht bekommen hab! Es war sehr schön, so viel Post zu bekommen!




Hier ein besonders vorteilhaftes Foto des Jubilars

Das Dienstjubiläum

Es war eines schönen Tages Abend. Der brave Erdenbürger hatte Tag für Tag seinen Dienst versehen, war früh ans Tagwerk gegangen und früh ins Bett. Hatte keinen sündigen Gedanken nie gehegt und war gottesfürchtig und eingedenk seines stetig sich nähernden, ewiglichen Heimgangs gewissenhaft durch sein bescheidenes Dasein gegangen. Und als er nun in dem kleinen Büchlein, welches er treu immer bei sich trug, erkannte wieviele Tage er nun schon durchaus immer recht fromm auf dieser Welt verbracht, so kam es ihm nur so recht und opportun vor, einmal dem Herrn zu danken für seine gütige Führung und Leitung. Und so lud er allerlei Gesindel ein, mit ihm dieses Fest in aller Pracht zu begehen. Speis und Trank ward reichlich dargereicht, und es fehlte an nichts. Und man trank Bier aus großen Eimern und so manchen Schnappes, und machte eine Polonaise und Kartenblasen und es ward im Swimmingpool ein Pinkelwettbewerb veranstaltet und Bruder Charlie übernachtete hinterher auf dem Dach und als die Polizei kam wurden gerade Bratkartoffeln mit Eierlikör gekocht und der gute Bürgermeister wachte mit des Pastors Gattin in der Hundehütte auf und wusste so gar nicht recht, wie ihm geschehen war.
Der brave Erdenbürger aber hatte einen ziemlichen Brand. Erst nach zwei Konterhalben gings einigermaßen.

(Aus: Geschichten mit aus gutem Grund unbekanntem Verfasser)

17.10.06

Eine ganz normale Woche

Montag
9.00 Uhr: Droit international du commerce
Ein symphatischer kleiner Mann mit erfreulich langsamer und deutlicher Sprechweise erläutert die Vorteile des Schiedsverfahrens bei internationalen Handelsverträgen. Wer zu spät kommt, bekommt gerne nochmal das aben besprochene reinerzählt. Häufig fällt der Satz: "Lasst uns diesen Begriff unseren nicht französischsprachigen Freunden erklären..."

13.30: Anglais juridique
Eine sympahtische Texanerin aus Oregon, die schon seit 86 Jahren in Frankreich lebt, erklärt mit Evelyn-Hamann-Intonation die Unterschiede zwischen dem französichen und dem angloamerikanischen Rechtssystem. Die berühmte "reasonably prudent person" in den USA heißt hier übrigens "bon père de famille".

16.30: Droit international privé
Eine simpatische Matrone mit Oberweite bis Algier macht deutlich, was passiert, wenn sich ein Tunesier mit 65 verschiedenen Frauen nach französichem Recht von einer scheiden lassen will (Problem: Das französische Recht kennt die Polygamie nicht auf dem Papier).

Dienstag
9.00 Uhr: Droit international de l'environnement
Der gleiche symphathische Mann von gestern früh erzählt diesmal, warum die Firma von gestern früh CO2-Emissionslizensen von wem kaufen darf, und die Vorteile des Kyoto-Protokolls (wir werden alle nur auf halber Flamme gegart).

16.30: Droit international et européen des droits de l'homme
Ein sympaitscher Tausendsassa mit Weitblick beleuchtet zunächst die politische Gesamtwetterlage, dann entspinnt sich eine Diskussion mit dem Auditorium Dieses besteht aus allerlei Gelichter: Türken, Algerier, Italiener, Deutsche, Schwarzafrikaner, vereinzelt auch Franzosen sind zu erkennen. Vorauszusehen ist, dass der Desput über die menschenrechtlich eher rauhen Sitten am Bosporus hier auf fruchtbaren Boden trifft. Bemerkungen über das "von Natur aus hitzige Gemüt der Südländer" verkneift man sich nach Möglichkeit. Von den "Vereinten Nationen" will keiner mehr was wissen.

Mittwoch
9.00: Contentieux communautaire
Ein smypahtischer Faulpelz mit Silberblick und Raucherhusten erzählt vom europäsichen Gerichtshof. Wer kann wann vor dem Gerichtshof der ersten Instanz eine Nichtigkeitsklage anstrengen? Und warum sind es gerade 25 EU-Staaten und nicht... zweieinhalb? Nein, dann wäre das mit dem einen Richter pro Mitgliedsstaat schwer zu händeln.

Donnerstag
13.30: Fiscalité internationale et européenne
Ein spymatischer Findefuchs mit Pornobrille weiß über die Probleme zu berichten, die auftreten, wenn ein Franzose mit 8 Häusern in Paris eine kleine Wohnung in Monaco kauft, und allen Ernstes den französischen Behörden erzählen will, er hätte deshalb dort seinen steuerrechtlichen Wohnsitz.

16.30: Politique du tiers-monde
Ein sympaitscher Späthippie mit Flausen um den Kopf weist auf die dritte Welt hin. Ich schaue aufs Mittelmeer raus, sehe noch nichts und hoffe, dass der Ansturm erst anfängt, wenn ich nicht mehr an der Küste wohne. Heiliger St. Florian...

Freitag
Ab 9.30
Travaux dirigés
Arbeitsgruppen. Man muss mitarbeiten und vorher zu Papier gebrachtes bei sypamtischen Frauenzimmern um die 27 abliefern. Das stärkt die universitäre Freiheit. Ich werd nächste Woche nach einem Fleißbildchen fragen.

22.00
Mein sympaschiter Oben-drüber-Mitbewohner Jaime aus Spanien zeigt, wie man mit möglichst billigen Wein und Cola möglichst guten Kalimocho macht.

Samstag
3.00
meijn sypamtisc5hwer Mitbwiohner undsdich laufanewnr pov Starbnd hjoienm.

14.00
Radtour.
Nachdem ich die gängigen Fitnesstips und -Ratschäge beherzigt habe, und bei der ersten Radtour 10 km am Stück bergauf gefahren bin, freue ich mich, dass der Weg zurück ins Tal bzw. an die Küste nicht nur malerisch ist, sondern auch ohne Tritt in die Pedale absolviert werden kann.

22.00
Besuch einer "Oben hui-unten pfui"-Party
Hemd und Krawatte zum Minirock aus Bananen - Franzosen nennen dies "haut chique - bas choque".

Sonntag
12.00
Stadtbesichtigung
Die Promenade des Anglais wird ihrer ureigensten Bestimmung zugeführt. Ganz kurz lockt die "legion étrangère" - aber wohlgesinnte Begleiter verhindern schlimmes.


23.00
Skype-Konferenz
Chicago, San Sebastián und Nizza versuchen den Gedankenaustausch. Ob es wirklich echte Gedanken sind, die da hin und her wandern, ist eine philosophische, sicher aber auch eine technische Frage. Jedenfalls begeistert es.

24.00
Resümee über einen guten Monat ERASMUS
Eine recht "flippige" "Geschichte".

11.10.06

Chambre à louer

Adretter, sympathischer, vielbeschäftigter, zerstreuter Arzt in den späten Mittvierzigern vermietet nette Wohnung in Nizza mit Blick auf eine gern frequentierte Straßenkreuzung.
Interessenten werden gebeten, in der zentral gelegenen Arztpraxis persönlich vorstellig zu werden. Sollte der Vermieter nicht anzutreffen sein, so wird ein kurzes Telefongespräch dieses Problem beseitigen. Ein freundliches, mehrmals wiederholtes "J'arrive" (französisch für: Ich esse gerade, oder gehe einer ähnlich zeitintensiven Tätigkeit nach, die mich noch ca. 3 Stunden in Anspruch nimmt, woraufhin ich umgehend eine Klapperkiste, die ich "voiture" nenne, besteigen und über Schleichwege und Fußgängerzonen zu dir eilen werde) wird zu hören sein, und man sich zumindest darüber freuen, dass das Gesuch nicht von vornherein abgelehnt wird. In Anwesenheit des Vermieters wird dem Wohnugssuchenden empfohlen, sich länger andauernde Plädoyers über Vor- und Nachteile verschiedener Mietertypen, eng verknüpft mit deren Nationalität, nickenderweise anzuhören. Auch ein kurzer Exkurs in die bisherige Mietergeschichte, unter Erwähnung zahlreicher Namen oder deren französischer Entsprechung wird nicht fehlen. Sodann ist eine Zimmerbesichtigung ratsam, anlässlich derer verschiedenste dringende Renovierungsarbeiten sowie die Beschaffung von allerhand Zusatzgeräten in der Wohnung für die "allernächste Zeit" angekündigt werden dürften.
Das dem Interessenten angebotene Zimmer sollte von diesem in den höchsten Tönen gelobt werden. Eventuelle Schäden oder Reparaturbedürftigkeiten sollten ignoriert werden, da ohnehin umgehend deren "sofortige", zumindest aber am selben Abend geplante Beseitigung beteuert werden wird.
Scherze über bald eintreffende, gut gebaute Französinnen als Mitbewohnerinnen sollten wohlwollend aufgenommen werden. Wenn dann schließlich Einigkeit über den Abschluss eines Mietvertrages besteht, ist die erste Hürde genommen. Am vereinbarten Tag des Einzugs ist üblicherweise abermals ein Anruf fällig. Daraufhin ist das bereits vorgebrachte Anliegen noch einmal genau zu erläutern, denn man wurde üblicherweise bereits wieder vergessen. Gelingt es allerdings, die Schlüsselgewalt über die Immobilie zu erlangen und vielleicht sogar seine Koffer in eines der Zimmer zu platzieren, so kann man sich über das Erreichen eines weiteren Zwischenziels freuen.
Einige Anrufe, Erinnerungen, Erklärungen und Ortstermine später könnte man dann tatsächlich auch im Besitz eines Dokuments sein, welches ortsüblich als Vertrag über die Überlassung von Wohnraum angesehen wird. Man hat dann, ob man es glaubt oder nicht, tatsächlich ein Zimmer in Nizza gemietet.


(Einheimischer Wohnungseigentümer und Heimwerker, vertieft in das traditionelle, alljährliche Vermieten)

8.10.06

Schlagzeilen

Was bisher geschah:

1. Uni-Chaos: Augsburger kämpft mit Univerwaltung und siegt: Jetzt als regulärer Student an der Université de Nice Sophia Antipolis im Kurs "Master 1 - Régulations Internationales et Européennes - Mention Droit" eingeschrieben. 25 Stunden pro Woche. Könnte in Arbeit münden.

2. Wohnungskrieg: Deutscher Spießer mit zu hohen Ansprüchen erkämpft schönes Zimmer mit Blick auf belebte Straße. Einweihungsparty mit zahlreichen sinistren Eramusstudenten. Pastis schmeckt nach Kopfweh!

3. Strandrandale: Dubiose Nachwuchs-Wissenschaftlern aus aller Welt treiben sich nächtens am Meer rum. Zusammenrottung der schlimmsten Art!

4. Deutsche Gemütlichkeit an der Côte d'Azur: Was man in Südfrankreich noch von uns lernen kann: Punkt 14 Uhr ausruhen am Strand, Punkt 16 Uhr heimgehen!

5. 23jähriger, mittelloser Luftikus sucht Drahtesel-Vorderrad! Verloren 06.10.2006 um ca. 4 Uhr in der Früh vorm Palais de Justice! Hinweise an: Jean-Jacques-Francois-Luc-Pastis Châteuneuf, Fahrraddealerring Nizza eV.

6. Leserbriefe erwünscht!